Umsatzdefizite aus zeitlich gestörten Bauabläufen
Umsatzdefizite aus zeitlich gestörten Bauabläufen
Der auftragnehmerseitige Umgang mit Umsatzdefiziten und Mehrkosten aus zeitlich gestörten Bauabläufen aus dem Risikobereich des Auftraggebers
Beratungsfall:
Der Auftraggeber kündigt im Zuge der Ausführung den Bauvertrag mit seinem Rohbauunternehmer, der zugleich Vorunternehmer für Nachfolgegewerke ist, mit der Folge, dass der von uns beratene Nachfolgeunternehmer in der vertraglich festgesetzten Bauzeit keine Bauleistungen erbringen kann, diese zeitlich versetzt erst nach Ablauf des vertraglich vereinbarten Bauendes beginnt und in einer längeren als der vertraglichen Bauzeit zugrunde gelegten Ausführungsdauer fertig stellt.
Problem:
Diese Verschiebung des Baubeginns hinter das vertragliche Bauende, die einer Bauunterbrechung im Sinne des § 6 VOB/B gleich kommt, hat beim Nachfolgeunternehmer zur Folge, dass das vertraglich vereinbarte Bauvolumen in der festgesetzten Bauzeit nicht realisiert wird, sodass aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein „Umsatzdefizit“ im Unterbrechungszeitraum eingetreten ist. Diese Unterbrechungszeit könnte man auch passender Wartezeit nennen, in der der Wartende allzeit bereit sein muss, die Arbeiten aufzunehmen, sobald die Vorleistungen erbracht sind. [siehe Abbildung]
Die zeitlich versetzt erbrachte und vollendete Bauleistung konnte zudem nur unter erheblichen Mehrkosten – z.B. Preissteigerungen bei Material, Treibstoff, Lohnkosten etc. und u. A. auch jahreszeitlich bedingter Produktionsveränderungen – realisiert werden. [siehe Abbildung]
Der Nachfolgeunternehmer ist unverschuldet in diese Misere geraten und erwartet nun eine „finanzielle Wiedergutmachung“.
Rechtliche Aspekte:
Die durch die Bauunterbrechung ausgelöste Wartezeit auf den Baubeginn kann als „Kündigung auf Zeit“ bzw. als „Versetzung in den einstweiligen Ruhestand“ gedeutet werden. Das dadurch entstandene Umsatzdefizit hat für den Nachfolgeunternehmer im Hinblick auf die vertragliche Bauzeit die finanzielle Auswirkung wie eine ordentliche Kündigung.
Deshalb war uns aus baubetrieblicher Sicht klar, dass der Aufraggeber für die Risiken seines Handelns und seiner am Bau Beteiligten finanziell einstehen muss. Seit 1999 ist nunmehr auch juristisch klar (BGH Urteil vom 21.10.1999 – Az.: VII ZR 185/98), dass bei nicht und/oder nicht rechtzeitig erbrachten Vorunternehmerleistungen § 642 BGB als Anspruchsgrundlage für eine Entschädigung des Nachfolgeunternehmers heranzuziehen ist. Mit der Bestimmung des § 642 BGB soll der wartende Unternehmer eine angemessene Abgeltung dafür erhalten, dass er seine Zeit, seine Arbeitskraft, seine Betriebsstoffe und –geräte auf ungewisse Zeit vorgehalten hat. (BGH Urteil vom 7.7.1988 – VII Z R 179/87, BauR 1988, 739 und Döring im Ingenstau/Korbion-Kommentar zu § 6 Nr. 6 – 14.Auflage –)
Dass die Höhe der Entschädigung analog Kündigungsvergütung nach § 8 Nr. 1 VOB/B bzw. § 649 BGB zu berechnen ist, ergibt sich aus den gleich lautenden Formulierungen des § 642 Abs. 2 BGB.
Umsatzdefizit
– ersparter Aufwendungen
– anderweitiger Erwerb
= Kündigungsvergütung
= Entschädigungsvergütung
Es bleibt festzuhalten, dass als unmittelbare Folge aus der vom Auftraggeber ausgelösten Wartezeit des Aufragnehmers die Entschädigungsvergütung für das eingetretene Umsatzdefizit folgt.
Wie sieht es mit weiteren finanziellen Ansprüchen aus den zeitlich versetzt erbrachten Bauleistungen aus?
Auch hier ist aus baubetrieblicher Sicht klar, dass der Auftraggeber eine Vergütungsanpassung mit dem Nachfolgeunternehmer vereinbaren muss, denn eine Bauleistung, die wie hier, infolge fehlender Vorunternehmerleistungen mit einem vollständigen Umsatzdefizit in der vertraglichen Bauzeit einhergeht und nach dem Wegfall der annahmeverzugsbedingten Unterbrechungen unter anderen zeitlichen, und weiteren geänderten Produktionsfaktoren umgesetzt werden muss, ist eindeutig eine andere als die vertraglich versprochene Leistung, auch wenn sie sich bauinhaltlich, was Art und Umfang der Leistung angeht, nicht verändert hat. Damit haben sich die Grundlagen der Vertragspreise geändert, die demnach anzupassen sind. Diese weiteren Vergütungsanpassungen bezeichnen wir als mittelbare Folgen fehlender Vorunternehmerleistungen. [siehe Abbildung]
Es kann jedoch nicht verschwiegen werden, dass die Berechnungsweise in Anlehnung an § 2 Abs. 5 VOB/B wegen der vom BGH vorgegebenen Istkostenorientierung für den zum Nachweis verpflichteten Auftragnehmer weitaus schwieriger und aufwendiger ist als die kalkulationsbasierte Mehr- oder Minderkostenbestimmung nach § 2 Abs. 5 VOB/B.
Es ist uns unverständlich, was den BGH bewogen hat, von der in der Vergangenheit bewährten kalkulationsbasierten Vergütungsanpassung abzugehen.
Die vom BGH geforderte Nachweislast erschwert und verteuert die Bauabrechnung kolossal und wird dazu führen, dass eine Vielzahl berechtigter Forderungen aus zeitlich gestörten Bauabläufen gar nicht erst verfolgt werden, was selbstverständlich die Auftraggeberseite finanziell schonen wird.
Letztendlich bleibt festzuhalten, dass als mittelbare Folge einer bauzeitlich verschobenen Bausführung eine Vergütungsanpassung durch Anpassung der Einheits- und/oder Pauschalpreise auf die neue Ausführungssituation zu erfolgen hat.
Zukunftsausblick:
Nach unseren Erfahrungen tun sich derzeit die Auftraggeber – speziell auch die Öffentliche Hand – schwer, die vorbeschriebenen finanziellen Ansprüche, insbesondere die Entschädigungsvergütungen, anzuerkennen und zu vergüten. Die Angelegenheiten werden zunehmend auf den Rechtsweg verwiesen, was auf Unternehmerseite erhebliche Risiken mit sich bringt. Dennoch sollten die Unternehmer nicht unbedacht auf diese Ansprüche verzichten. Auch wenn die Darlegung und Begründung dieser Ansprüche zeitaufwendig und kostenintensiv sind, eröffnen sie dennoch neue Chancen zur Ausschöpfung der finanziellen Ansprüche und können dadurch das Betriebsergebnis in vielen Fällen entscheidend verbessern.
…………………………………. Dipl.-Ing. Hans-Jürgen Johannink
Schreibe einen Kommentar